Internet der Dinge: Wenn die Schwarmintelligenz persönlich wird

Wenn Google weiß, wann es im Laden nicht so voll ist

Im Video ging es um smarte Verkehrsführung. In dem Beispiel wurden hauptsächlich die Daten von Kameras ausgewertet, aber natürlich liefert auch jedes mobile Endgerät laufend Daten an verschiedene Server – wie z.B. Navi-Apps. Sobald diese Daten erhoben wurden, stehen sie natürlich auch für andere Analysen zur Verfügung, wie z.B. Google hier erklärt.
Das ist nicht überraschend und auch in dem Video wird dies bereits angedeutet: „making shopping more enjoyable.“ (0:54 min. Was das alles bedeuten kann, klären wir ein anderes Mal)

Shopping mit IoT

Mir ist es vor einigen Monaten das erste Mal bewusst geworden.
Das Straßennetz in Großstädten ist überaus unübersichtlich und so nutze ich eigentlich immer mein Smartphone, wenn ich das Haus verlasse. Man googelt dann schnell den Laden oder das Restaurant, ein Klick auf Route und los geht’s! Dabei fiel mir dann irgendwann der Hinweis über die Stoßzeiten auf, der bei einigen Läden ausgewiesen wurde:

stz

Mein erster Gedanke war: „Oh, wie praktisch“, mein zweiter Gedanke: „Moment, woher bekommen die diese Daten?“
Wie Google auf seiner Support-Seite schreibt, werden „die Daten [.] mithilfe von Nutzern berechnet, die ihren Standort auf Google-Servern speichern. Stoßzeiten basieren auf den durchschnittlichen Stoßzeiten der vergangenen Wochen“ [2]. Aber auch Sportstätten und andere Plätzen können erfasst werden, wenn Öffnungszeiten hinterlegt sind [3].

Das ist ein schönes Beispiel dafür, wie Daten, die eigentlich für einen anderen Zweck erhoben werden, für eine andere nützliche Analyse korreliert werden.

Natürlich kann man sich nun fragen, ob es ein Problem ist, wenn irgendwo Daten gesammelt und ausgewertet werden, die weitestgehend anonymisiert sind. Im Prinzip weiß schließlich niemand, wer da einkaufen geht oder einen Platz besucht, oder? Auf dieser Ebene ist es in der Tat erst einmal nur ein elegantes Mittel der Marktanalyse, um z.B. Geschäftszeiten zu optimieren oder zu prüfen, ob Werbekampagnen funktionieren.

Interessant wird es aber, wenn anonyme Daten dieser Schwarmintelligenz (smarte Datenanalyse aus einer beliebig großen Zahl an Usern) benutzt werden, um Schlüsse auf den Einzelnen zu ziehen.

 

Wenn die Schwarmintelligenz persönlich wird

Für den nächsten gedanklichen Schritt benötigen wir wieder ein Beispiel. Betrachten wir eine Autoversicherung. Diese hat bisher verschiedene Risikogruppen definiert, über die vor allem die Beitragskosten kalkuliert werden. Nun hat sie vom IoT gehört und hat die Idee, nicht mehr ihre eigenen alten Daten zu verwenden, sondern sich mit in die großen Clouds einzuklinken und quasi live Auswertungen über Unfallhergänge und -folgen zu machen (1:50min nicht nur die Leitzentrale wird informiert, sondern eben auch der Versicherer).
Wenn nun ein neuer Kunde kommt, könnten ihm gezielte Fragen gestellt werden, um aktuelle Trends zu erfassen, um so individualisierte Risikobewertungen zu erstellen. Erweitert man die verwendeten Datenquellen, lässt sich das Beispiel schnell weiter treiben und verfeinern.

incident

Das Prinzip lässt sich leicht auch auf andere Bereiche übertragen, wenn man bedenkt, wie viele Leute mittlerweile mit Pulsmessern rumlaufen und sogar Kaffeemaschinen und Kühlschränke an die Cloud berichten. Und wer weiß, vielleicht wird man bei einer Bonitätsprüfung nicht mehr gefragt, ob man z.B. Beamter ist, sondern wie man seinen Kaffee trinkt, welche Farbe das eigene Auto hat oder welche Fantasybücher man in der letzten Zeit gelesen hat (überspitzt formuliert). Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt und im Moment ist es schwierig eine qualizierte Aussage darüber zu treffen, wie sich diese Technologie und die Datenschutzgesetze entwickeln werden. Sicher ist nur, dass die Clouds laufend mit unserem Life-Style gefüttert werden.

Es würde mich nicht wundern, wenn sich Firmen auf „smarte IoT-Analysen“ spezialiseren. Und dass das keine Hirngespinste sind, beweist das große Interesse am IoT auf Messen von verschiedensten Firmen und die wachsende Zahl an Schulungen und Vorträgen. Man darf gespannt sein, was da alles auf uns zu kommt.

Beim nächsten Mal geht es dann um die Systeme der Systeme.

 

 

Von der Verkehrskamera über Marktforschung hin zu einer Bewertung
für eine Autoversicherung – und das alles ohne personalisierte Daten.
Es ist nicht so, dass wir uns aussuchen könnten, beim IoT mitzumachen.
Ganz im Gegenteil, das Internet der Dinge ist bereits unterwegs.

 

 

 

Quelle:
[1] Screenshots aus dem YouTube-Video: Intel IoT — What Does The Internet of Things Mean? Abgerufen am 02.02.2016
[2] Google-Support: Google Anlasye zu Stoßzeiten. Abgerufen am 02.02.2016
[3] Heise : Auswertung von Standort-Daten: Google Maps zeigt Geschäfts-Stoßzeiten und andere „beliebte Uhrzeiten“ (Version vom 14.12.2015)

14 Kommentare

  1. „… so nutze ich eigentlich immer mein Smartphone …“

    Das Ding nennt sich Smartphone, weil die, die es verkaufen – es auch sind. Die genialste Entwicklung der letzten Jahre dürfte dabei das Betriebssystem Android von Google sein. Ein OS um sie alle zu knechten.

    Nebenbei: Wer mit so einem Ding rumläuft und Google & Co. füttert, dem ist nicht mehr zu helfen (ca. 50 % der Deutschen).

  2. Man könnte ja hoffen, dass mit dem Aufkommen von Big Data auch die Wissenschaft Methoden entwickelt, mit denen wir die Informationen im Big Data „Speicher“ wirksam zu anonymisieren in der Lage sind. Das Problem ist nur: Es ist und wird ein Wettrüsten bleiben. Beim Browsertracking ist das schon seit einiger Zeit zu beobachten.

    Das Schema ist uralt: Wer etwas „verkaufen“ will, muss wissen, wie er sein „Produkt“ optimal an Leute bekommt, die dafür Geld ausgeben würden. Die Strategien, dies zu optimieren sind genau so essenziell für einen Unternehmer, wie die, aus kostbaren Ressourcen (Arbeitskraft, Material, Werkzeuge…) Produkte möglicht kostengünstig zu produzieren. Denn erst Beides in Einheit ist das Erfolgsrezept für jeden Unternehmer. Egal ob imperialistisch oder in der 1-Mann-Manufaktur.

    Letzlich kann das Schaden und Nutzen für den Konsumenten bedeuten. Hier wird sich sicher im Laufe der Zeit ein gewisses Gleichgewicht einstellen. Historisch hat es mit jeder industriellen Revolution im Mittel für (fast) Alle erhebliche Fortschritte gegeben, die wir heute u.a. mit einer höheren Lebenserwartung und mehr Freizeit messen können.

    Das Problem hierbei ist jedoch, dass die gleichen Methoden und Datenströme potenziell zur Verfügung stehen, um auch andere „Gelüste“ anderer Parteien zu stillen: Macht, Maßlosigkeit… Sprich, die politische Ausnutzung zur Beeinflussung (jetzt schon durch Spionage mit Big Data Mitteln) sowie zur Unterdrückung Einzelner (auch schon präsent) oder ganzer Nationen.

    Hier wiegt das Problem besonders schwer: Identische Methoden (und Abwehrversuche) sind zwar für die Marktwirtschaft in einem gesunden Gleichgewicht wünschbar und sicher auch denkbar. Nicht aber im Bereich der Machtausübung!

    Hinzu kommen die aktuellen Fortschritte in der Künstlichen Intelligenz. Sie wird die Effekte, über die wir jetzt diskutieren in wenigen Jahren noch erheblich verschärfen.

    Es wird nicht alles schlecht werden. Aber es wird in absehbare Zeit in einigen Landstrichen erhebliche menschliche Opfer der neuen Technologien geben. Neben Hunger, Klima, …

  3. Undzwar ich hab eine Kleine Frage, eigentlich wollte ich es per E-Mail fragen aber ich weiß leider nicht ihre E-Mail Adresse. Naja ich komm mal zur Frage
    Denkt ihr das 2016 die Welt untergehen wird? Überall sehe ich diese Weltuntergangs Uhr „Domsays Clock“ oderso, und da steht 3 vor 12 oderso und wenn man das sieht kriegt man echt Panik/Angst. Was denkt ihr geht die Welt unter?

  4. Was die Uhr so knapp zeigen lässt, liegt an der destabilisierten Lage in einigen Gebieten, die selbst unsere Demokratie vor völlig neue Aufgaben setzt. Und: Und es hat sich inzwischen herumgesprochen, dass weder ein paar Drohnen über fremden Land noch ein paar kleine Atombömbchen gleich das Weltende bedeuten.

    Die Anzeige der Uhr ist auch nicht Ausdruck riskanter Technologien, sondern Ausdruck der Menscheitsgeißel Machtbedürfnis. Und dem Risiko, dass innere wirtschaftliche Probleme durch Machthaber damit „neutralisiert“ werden, indem man Krieg anzettelt. Russland ist da zur Zeit so ein Wackelkandidat. Und in den USA ist das seit Jahrzehnten gelebte Strategie: Willst Du Macht, musst Du die Massen bewegen. Willst Du die Massen nicht gegenseitig aufwiegeln, benötigst Du also einen Feind. Und um Stärke zu zeigen und darzustellen, dass das Feindbild richtig ist, benötigst Du Opfer in den eigenen Reihen. – Aber ich glaube das hat nur wenig mit Big Data zu tun.

  5. Alles korrekt beschrieben, „Big Data“ kann gesellschaftlich nützlich sein; bei den ‚richtigen Analysen‘, also bei dem, was aus Sicht einiger Richtigkeit meint, wird es aber problematisch, denn was dem einen richtig ist, auf Grund erfasster Datenlage und sich anschließender Theoretisierung, Abfragen auf Daten sind Sichten oder Theorien, kann dem anderen unrichtig erscheinen bzw. durch andere aus seiner Sicht bessere Theoretisierung ersetzt werden.

    Hier – ‚Wenn nun ein neuer Kunde kommt, könnten ihm gezielte Fragen gestellt werden, um aktuelle Trends zu erfassen, um so individualisierte Risikobewertungen zu erstellen. Erweitert man die verwendeten Datenquellen, lässt sich das Beispiel schnell weiter treiben und verfeinern.‘ – wird der Schreiber dieser Zeilen auch nicht ganz froh, denn genau so wie Google versucht individuelle Entitäten zu erkennen, diese dann gezielt zu bewerben trachtet, können die zitierten individuellen Risikobewertungen auch schlicht auf Ausforschung von Individuen beruhen, die im Web mal diese und mal jene Tätigkeit aufgewiesen haben, die von Google oder einem anderen dbzgl. tätigen Dienstleister bemerkt worden ist.

    Hier wird’s dann „orwellsch“.

    MFG
    Dr. Webbaer

    • Soweit korrekt, es geht immer um Wahrscheinlichkeiten – das heißt noch lange nicht, dass die gefundenen Aussagen für einen zutreffen müssen, aber das ist genau das Problem an der Sache. Wenn nicht mehr Menschen die Einschätzung übernehmen, die, die Möglichkeit der Einzelfallprüfung haben, sondern alles rein per Wahrscheinlichkeiten und Interpolationen abgewogen wird, kann man schnell in eine Schublade gedrückt werden, die einem nicht gerecht wird und das nur, weil man sich vielleicht einmal verfahren hat. Das entscheidende an meinen Zeilen ist, dass die Datenquelle eben nicht mehr „nur“ das Web ist, wo die Klicks ausgewertet werden, sondern im Prinzip die gesamte moderne Infrastruktur zum Beobachter wird – ein Ort, dem man sich nur schwer entziehen kann.
      Man darf das aber auch nicht zu pessimistisch sehen, da diese Problematik bereits erkannt wurde und es ausreichend viele Menschen gibt, die an der Thematik arbeiten, wie ‚fherb‘ bereits ansprach. Und auch bei dieser neuen Technologie wird sich zeigen, dass nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird.

  6. @anselm
    Natürlich wird jeder Mensch irgendwann mal sterben, aber ich Frage mich wieso alle Menschen denn leichtgläubigen Angst machen wollen. Was haben sie davon? :/

  7. Lieber Tomi, auf jeden Fall eine ganz bemerkenswerte Entwicklung, vielen Dank für Ihre Reaktion.
    Allerdings, allerdings ist diese zivilisatorisch massiv ändernd, vs. ’nichts [wird] so heiß gegessen, wie es gekocht wird‘, aber schon ganz ausgezeichnet, wie Sie als Physiker hier einzuschätzen wissen.
    Dies jetzt wirklich als Lob gemeint, weiter oben klingt es vielleicht ein wenig giftig, aber so ist es nicht gemeint.
    Sie haben etwas zu sagen,
    MFG
    Dr. Webbaer (der auf Ihren Hinweis hin auch die Nachricht von ‚fherb‘ zur Kenntnis genommen hat)

  8. @ fherb :

    Hier wiegt das Problem besonders schwer: Identische Methoden (und Abwehrversuche) sind zwar für die Marktwirtschaft in einem gesunden Gleichgewicht wünschbar und sicher auch denkbar. Nicht aber im Bereich der Machtausübung!

    Ganz schlau wird Ihr Kommentatorenfreund nicht aus Ihren Nachrichten, aber er ist, womöglich wie Sie auch, vorsichtig pessimistisch, was die politische ‚Machtausübung‘ betrifft, bei der es keine besonderen ‚Gleichgewichte‘ geben kann, wenn bspw. für ins Auge gefasste Vertragsabschlüsse Risikogruppen auf Grund von per „Big Data“ entwickelter Fragekataloge festgestellt werden.
    Diese stehen grundsätzlich für Missbrauch offen.


    Nett natürlich der abschließende Satz des WebLog-Artikels, der da lautet: ‚Beim nächsten Mal geht es dann um die Systeme der Systeme.‘
    Verraten werden soll an dieser Stelle vorab, dass es hier um die Systematik gehen müsste, um die Ordnungslehre Zusammenhängendes betreffend, Webbaer schon gespannt sein,
    MFG
    Dr. Webbaer

    • Moin,

      Die Bezeichnung „Systems of Systems“ ist ein stehender Begriff in der Thematik des Internets der Dinge. Wie gesagt, schreibe ich bereits an dem Artikel, sodass ich nicht zu weit in die Erklärung einsteigen möchte. Kurz zusammengefasst (wodurch es unpräzise klingen könnte) ist ein „System“ eine lokale Gruppe von Dingen, die in einem konkreten informativen Zusammenhang stehen; als Beispiel wird gerne ein Auto genommen, das verschiedene Komponenten besitzt, die alle miteinander vernetzt sind. Intern werden bereits Daten erhoben und verarbeitet, sodass so ein System bereits „smart“ sein kann.
      Um jetzt aber Teil des IoT werden zu können, müsste es nun die Fähigkeiten besitzen, mit einem anderen System zu kommunizieren: bei der Kommunikation von Auto zu Auto spricht man z.B. von V2V (technisiert für vehicle to vehicle) und bei der Kommunikation von Auto zu Infrastruktur oder beliebigen anderen Geräten entsprechend von V2X. Bei dieser vergrößerten Kommunikation, bei der Systeme miteinander kommunizieren, verlassen wir die lokale Ebene und befinden uns nun auch bildlich in einem „System von Systemen“. Wichtig wäre zu erwähnen, dass nur ausgesuchte Daten ausgetauscht werden und nicht alle möglichen – so schlau sind die Entwickler schon.
      Vor allem wie diese Kommunikation stattfinden kann, ist Thema meines nächsten Artikels.

      Gruß

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