Durchschnittsgeburtstag?

Gestern habe ich ein Gespräch zum Thema „Durchschnitt“ aufgeschnappt:

Es unterhielten sich einige Herren darüber, dass im Oktober ja so viele Geburtstag hätten … und im Mai … eigentlich auch so im Januar… Einige Zeit später kam noch einer dazu und sagte:
„Ja, dabei hat der Durchschnittsdeutsche doch im Juni Geburtstag!“

Ich möchte jetzt keine Begriffsdiskussion über Häufung, Durchschnitt oder andere statistische Begriffe lostreten, schauen wir einfach, was beim statistische Bundesamt dazu zu finden ist.

Im Jahre 2012 stellte die Behörde eine Broschüre mit dem Namen Geburten in Deutschland vor, in der passende Informationen nachzulesen sind: eine Tabelle mit Geburtszahlen für einige Jahre aufgeschlüsselt nach Monaten. Ich habe als Beispiel die Zahlen für 1990 abgetippt und folgende Verteilung erhalten:

Geburtstagsverteilung 1990
Geburtenzahlen absolut pro Monat in Deutschland im Jahre 1990. Die angegebenen Prozentwerte geben den monatlichen Anteil an den Gesamtgeburten im Jahr 1990 an.
Quelle: Zahlen und Fakten zur Geburtenentwicklung 2012

Es gibt, wie man sieht, keinen einzelnen Monat, der besonders heraus sticht. Der Zeitraum Juli bis September ist zwar etwas erhöht, aber auch nicht unbedingt auffällig. Bei den geringen Effekten, wenn auch erkennbar, gibt es also keinen Monat, an den man einen allgemeinen Durchschnittsgeburtstag anhängen könnte.
Dennoch bleibt das Thema interessant, wenn man eine weitere Information aus der Veröffentlichung hinzunimmt: „Die Geburten bilden innerhalb des Jahres eine relativ stabile Saisonfigur“ (S. 16). Das ist wirklich sehr spannend, denn es zeigt, dass der Anstieg zwar nicht sehr hoch ist, sich aber nachweisbar wiederholt.

Diese Saisonfigur ist offenbar einmal gewandert, wie ein weiterer Satz bestätigt:
Diese Saisonfigur mit den meisten Geburten in den Monaten Juli bis September kann deutschlandweit beobachtet werden. Sie bildete sich allerdings erst seit Anfang der 1980er Jahre heraus. Vor dem Zweiten Weltkrieg und auch noch Jahrzehnte später lag das Maximum der Geburten in den Monaten Februar und März.“ (S. 16f)
Für die bildliche Darstellung habe ich das entsprechende Diagramm heraus kopiert: die Geburtenzahlen pro Tag wurden berechnet, auf einen Jahresdurchschnitt von 1000 Geburten pro Tag normiert, über mehrere Jahre gemittelt und die Skala entsprechend aufgespannt, um die Schwankungen zu verdeutlichen. (Wilde Mutmaßungen und 9-Monatszurückrechnereien unterlasse ich an dieser Stelle.)

Durchschnittliche Zahl der Geburten in Deutschland
Darstellung normierter Geburtsdaten für zwei Zeitabschnitte.
Quelle: Zahlen und Fakten zur Geburtenentwicklung 2012

 

Auch wenn der Effekt nicht so groß ist, als dass er im Alltag irgendeine Bedeutung hätte,
hat es mich dennoch überrascht, dass es eine über viele Jahre stabile Saisonfigur gibt,
die zwar klein, aber dennoch erkennbar ist. Ich werde versuchen, mehr Daten aufzutreiben…

 

14 Kommentare

  1. Ich werde versuchen, mehr Daten aufzutreiben

    Sehr erfreulich – an zB den Rohdaten der saisonalen Geburtenverteilung wäre ich interessiert, sind leider in der Bröschüre nirgend erwähnt.

  2. Was war wohl die Erste Frage die ich mir gestellt habe als ich angefangen habe den Artikel zu lesen?
    Richtig: Hat sich das im Laufe der Zeit geändert?
    Von daher würde ich mich auch über weitere Daten freuen.
    Interessant wäre auch Daten aus Entwicklungsländern oder Zonen mit anderen Jahreszeiten.

    Ach und weiß jemand näheres zu der Urban Legend, das auf dem Dorf nach Jubiläumsjahren (zum Beispiel vom Schützenverein etc.) eine signifikant höhere Geburtenrate vorhanden seien soll?
    In unseren 60.000 Seelen Dorf (Von mir oft liebevoll das größte Dorf der Welt genannt) kursieren solche Geschichten nämlich schon ewig.

  3. Statt des Dorffestes kann man Karneval untersuchen, der allerdings jedes Jahr verschoben ist, aber man könnte ihn mit katholisch dominierten Regionen korrelieren.

    Ansonsten wäre meine These, dass es vielleicht ein Trend vom Freiluftf*** zum Winterb*** geschuldet ist.

     

    Moderatoreingriff: Netiquette Wortfilter

  4. @Stefan :

    Der Trend vom Outdoor- zum Indoor-… könnte ein Resultat der höheren Verfügbarkeit von privatem Wohnraum für junge Menschen sein. (Verglichen mit den 50/60er-Jahren)
    Startwohnungen, Wohngemeinschaften etc… für Junge, die früher noch längere Zeit bei den Eltern wohnen mussten, und daher für die (un/beabsichtige) Zeugung von Nachwuchs auf die freie Natur ausweichen mussten – ergo hauptsächlich in den Sommermonaten.
    … oder auch nicht 🙂

  5. Der Durchschnittsdeutsche muss doch eigentlich anfang Juli geburtstag haben – wenn man den Mittelwert aller Geburtstage nimmt, muss doch ziemlich genau der 182,5te Tag des jahres rauskommen…

  6. roel: @rolak
    ElSaxo: letzte woche schon

    Trotzdem danke, roel.
    Hatte ich auch in den Lesezeichenbaum übernommen, ElSaxo, wo auch immer, wann auch immer. War jedenfalls sehr ergiebig. Doch wie es so ist, fehlt immer noch etwas: Totgeburten gibts (anscheinend) nur jährlich aufgedröselt – und Vergleichsdaten zu Karnevalsmetropolen wären auch spaßig, November-Anomalie?

  7. Nachdem was ich von anderen weiß, planen manche Frauen (Eltern) eine Geburt im Sommer, damit ihr Kind später zur schönen Jahreszeit Geburtstag haben kann. Statistisch gesehen ist solch eine Planung sehr wahrscheinlich mit einem positiven Resultat verbunden. Das sind natürlich nur wenige Eltern, die solche Ideen haben. Die meisten sind ja schon froh, dass überhaupt eine Schwangerschaft eintritt, bzw. die Schwangerschaft war völlig ungeplant.

  8. Ich glaube mal gesehen zu haben, dass diese Umkehr des Geburtsmonats von Winter zum Sommer etwa zum Zeitpunkt der Einführung der Pille geschah. Also zu der Zeit, als die Eltern leichter die Fruchtbarkeit steuern konnten.

    @ Stefan W.: Die Freiluftthese könnte auch daran liegen, da früher die Familien oft Kinderreich waren und im Winter kaum Ruhe zu Hause war für gemeinsame Zeit zu zweit. Im Sommer gehen die Kinder viel Raus und die Eltern haben dann Sturmfrei und aufgrund der mangelnden Verhütungsmöglichkeiten der Vergangenheit dürften dann genau zu dieser Zeit mehr Babys entstanden sein.

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  1. Aus dem Bauch heraus hätte ich getippt, dass der Juli … | sb'log

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